Schon seit mehreren Jahren finden Konferenzen parallel vor Ort und online statt. Ende 2017 etwa lockte der 34C3, der 34. Chaos Computer Congress, 15.000 Besucher nach Leipzig und auch die re:publica im selben Jahr konnte mit mehr als 9.000 Teilnehmenden einen Besucherrekord vermelden – und das, obwohl es die Vorträge der beiden Veranstaltungen im Livestream gab und diese als Aufzeichnungen im Netz fortbestehen. Dennoch ist es den Veranstaltern in beiden Fällen gelungen, trotz hybrider Ausrichtung sehr viele Tickets zu verkaufen. Ein Todesurteil für eine Konferenz ist Livestreaming demnach ganz und gar nicht, wenn auch der Verdacht naheliegen mag. Und das war sogar schon vor Corona so
Warum Livestreams bei Konferenzen nicht zu Lasten der Ticketverkäufe?
Die PCMA, die Professional Convention Management Association, hat die Teilnehmer ihrer Livestreams vor ein paar Jahren mal nach den Gründen gefragt, warum diese lieber die Bildschirm-Variante der PCMA-Veranstaltungen nutzen anstatt selbst am Ort des Geschehens zu sein. Dabei stellte sich heraus, dass viele der Befragten sehr gerne „in echt“ dabei gewesen wären, das aber aus finanziellen Gründen oder aufgrund voller Terminkalender nicht einrichten konnten und deshalb die Übertragung der Konferenz per Livestream umso mehr zu schätzen wussten. Wer beruflich in mehrere dringende Projekte involviert ist, kann natürlich nicht einfach so eine mehrtägige Pause für die Teilnahme an einer Tagung einlegen. Genauso kann es vorkommen, dass zwar Zeit dafür da wäre, eine längere Reise aus gesundheitlichen Gründen aber auf einmal undenkbar wird oder es Reisebeschränkungen gibt. Ein Livestream kann in solchen Fällen das beste Mittel sein, um über die Enttäuschung hinwegzuhelfen, auch wenn er sicherlich nicht das ganze Konferenz-Erlebnis ersetzen kann.
Light-Version einer Konferenz
Ganz davon abgesehen kann ein Livestream einer Konferenz dabei helfen, einen Anreiz für alle noch Unentschlossenen zu schaffen, besonders wenn es sich um eine Veranstaltung handelt, die künftig noch mal stattfinden soll. Die Zahl der Interessierten ist häufig um einiges höher als die der Personen, die später wirklich vor Ort sind. Vielleicht möchte jemand in diesem Jahr noch keine Karte kaufen, weil die Veranstaltung zum ersten Mal stattfindet und es noch keine Erfahrungsberichte gibt. Ein Livestream wäre dann sozusagen eine Art Demoversion der Konferenz. Ist dieser frei verfügbar, verbreitet sich die Nachricht davon in der Regel schnell, sobald sich jemand positiv dazu äußert und den Link zum Stream teilt. Das ist ein Mehr an Aufmerksamkeit, das Veranstaltende nichts kostet. Kommt der Stream gut an, tauscht ein Teil des Publikums bei der nächsten Ausgabe der Konferenz möglicherweise seinen passiven Posten gegen eine aktive Teilnahme vor Ort ein. Manche brauchen auch vielleicht noch ein wenig Überzeugung und sehen sich das Ganze daher erst mal aus der Ferne an, ehe sie sich um einiges motivierter beim nächsten Mal selbst auf den Weg machen. Und wer schon überzeugt ist, muss nicht noch einmal mühsam zur Teilnahme überredet werden. Eine bessere Werbung für eine Konferenz kann es also kaum geben. Manchmal kann ein Konferenz-Livestream sogar im umgekehrten Fall weiterhelfen: Alle Tickets sind längst weg, das Interesse an der Veranstaltung dafür ungebrochen.
Somit kommt die Konferenz per Livestream zu allen, die selbst nicht zur Konferenz kommen können. Das passiert bisweilen auch auf einer kleineren Ebene – wenn zwei Sessions parallel stattfinden und jemand am liebsten beide besuchen würde. Das hat nichts mit schlechter Programmplanung zu tun, eher mit der Unmöglichkeit, die persönlichen Interessen aller Besucher vorherzusagen. Gibt es später Aufzeichnungen, müssen sich Teilnehmende nur noch entscheiden, welche sie sehen wollen, verpassen schlussendlich aber nichts mehr.
Denkbar sind Konferenz-Livestreams und -Aufzeichnungen auch und vor allem für Verbände, zu deren Veranstaltungen nur ein kleiner Teil der Mitglieder persönlich erscheinen kann. Oft liegt das einfach daran, dass diese über mehrere Länder verteilt sind. Gibt es Videos der Vorträge, haben alle etwas von den über das Jahr hinweg stattfindenden Veranstaltungen.
Livestreams bei Konferenzen sind kein Hexenwerk
Wer das Wort „Livestreams“ im Kontext von Konferenzen hört, denkt wahrscheinlich zuallererst an hochwertige, komplizierte Kameratechnik und befürchtet, dass vor dem Start erst noch eine Menge zusätzlicher Ausgaben anstehen. Konferenz-Livestreams funktionieren jedoch auch mit viel weniger Budget sehr gut. Beliebt sind diese ja vor allem deshalb geworden, weil es immer mehr Wege gibt, mit denen sich in kurzer Zeit und ohne explodierende Kosten ein Livestream einer Konferenz auf die Beine stellen lässt.
Dieser muss nicht zwingend über YouTube zur Verfügung gestellt werden, sondern kann direkt in einer virtuellen Konferenz-Plattform stattfinden, die Teilnehmenden sogar die Option bietet, zwischen mehreren parallelen Sessions zu wechseln und auch alle anderen Bestandteile der Veranstaltung unter dem Dach einer digitalen Konferenzhalle vereint.
Nach dem Ende der Konferenz-Livestreams bleiben diese zudem als Aufzeichnung verfügbar. Damit kommen Sie vor allem denen entgegen, die vielleicht den Anfang verpasst oder zeitgleich noch eine andere Session verfolgt haben.
Im Vergleich zu Aufzeichnungen sind Livestreams natürlich die größere technische Herausforderung. Ruckelt der Stream, weil die Internetverbindung schlecht ist oder bricht diese sogar ganz ab, schmälert das die Freude sofort erheblich. Wer solche Aussetzer vermeiden will, sollte statt DIY-Technik lieber Profis ranlassen. Manchmal bietet sich auch die Zusammenarbeit mit einem Sponsor an, der sich um die technische Seite kümmert. Beim Chaos Computer Club übernimmt das eine eigene Arbeitsgruppe, die ein Videoarchiv betreibt, das nach Aufnahmen von mehr als 100 Events durchforstet werden kann. Viel zu tun bleibt auf der Seite der Organisatoren dann nicht mehr.
Konferenz-Livestream = Gratis-Videos für alle?
Livestreams müssen Sie nicht gratis zur Verfügung stellen. Läuft einer bei YouTube und ist als kleiner Teaser gedacht, geht das natürlich. Möchten Sie darüber hinaus aber (fast) das komplette Programm der Konferenz als Livestream übertragen, bietet sich hierfür eine zugangsbeschränkte Konferenz-Plattform an. Teilnehmende melden sich darüber an – und erhalten dann genau wie bei einer reinen Vor-Ort-Konferenz Zugang zu den Livestreams und allem, was sonst noch zur Veranstaltung gehört.
Gibt es vor Ort noch zusätzliche Angebote (Workshops, Networking-Events usw.), wäre es natürlich nicht fair, die Gebühren für die Online-Teilnahme genauso hoch anzusetzen. Wenn Ihnen daran liegt, mit Hilfe der virtuellen Angebote neue Interessenten zu gewinnen, wird das mit einem solchen Preismodell sicher nicht funktionieren. Dennoch gibt es vor allem im medizinischen Umfeld Konferenzen, bei denen ein solcher Ansatz erfolgreich ist. Weil dort das Sammeln von Weiterbildungspunkten verpflichtend ist, lohnt es sich für viele Ärzte eher, einen Konferenz-Livestream anzusehen, als selbst dabei zu sein und dafür etwa die eigene Praxis für mehrere Tage schließen zu müssen.
Wer schon öfter Konferenzen organisiert hat, wird außerdem bestens mit Absagen vertraut sein. Bei anhaltenden Unwettern, während der Grippesaison oder pandemiebedingten Beschränkungen trifft meist gleich eine beachtliche Zahl davon ein. Die betroffenen Personen bekommen dann zumindest einen Teil der Kosten zurück, manchmal sogar den vollen Betrag. Mit der Anzahl der Absagen sinken allerdings auch die Einnahmen, die der Veranstalter erzielt. Gibt es dagegen Aufzeichnungen der Sessions, wäre das ein Kompromiss – Teilnehmende müssen nicht auf die Inhalte verzichten und Veranstaltende nicht mehr den gesamten Betrag erstatten.
Vor dem Start des Konferenz-Livestreams
Bevor Sie den Aufnahmeknopf drücken, ist Folgendes wichtig:
- Alle Speaker:innen sollten wissen, dass es einen Mitschnitt geben wird. Vielleicht ist jemand unter den Präsentierenden, der sich etwas Exklusives für den Vortrag überlegt hat, sei es ein noch unveröffentlichtes Forschungsergebnis oder einen ersten Einblick in die aktuellste Arbeit. Durch die Aufzeichnung verlässt der Vortrag die vier Wände des Hörsaals. Weisen Sie deshalb alle Vortragenden von Anfang an auf die Aufzeichnung hin und holen Sie sich eine Erlaubnis. Alle, die das nicht möchten, haben so noch ausreichend Zeit, Ihnen das mitzuteilen.
- Nutzen Sie Ausschnitte des Videomaterials, um eine Konferenz-Dokumentation oder einen Trailer für die Konferenz im nächsten Jahr zu erstellen. Bewegtbilder sind extrem wertvoll, um Eindrücke vom Geschehen zu vermitteln.
Konferenz-Livestreams sind noch längst nicht überall
Mit Livestreams hebt sich eine Konferenz von anderen ab, die ein solches Angebot nicht haben und sich nun wieder hauptsächlich um ihr Vor-Ort-Angebot kümmern. Weisen Sie deshalb auf die Online-Variante und die Konferenz-Livestreams hin – auf der Website, im Newsletter, in einer Pressemitteilung, bei Twitter. Erst dann erreichen Sie das spätere Publikum. Und keine Sorge: Selbst, wenn viele Veranstaltende Mitschnitten und Konferenz-Livestreams immer noch etwas skeptisch gegenüberstehen, ist die Angst unbegründet, dass sich ein solches Angebot negativ auf die Teilnahmezahlen auswirkt. Vielmehr leisten Sie damit einen wertvollen Beitrag zu Online-Bildungszwecken und haben damit schon einen ganzen Schritt weitergedacht.