Bedeuten virtuelle Konferenzen finanzielle Verluste für Veranstalter?

Ganz so schnell werden virtuelle Konferenzen nicht mehr in ihre Nische zurückkriechen, in der sie die letzten Jahre ihr Dasein gefristet haben. Nicht nur deshalb, weil im Moment so viel darüber geredet und mit dem Format experimentiert wird, sondern auch, weil zum jetzigen Zeitpunkt niemand sagen kann, wie lange uns die Pandemie samt Einschränkungen noch begleiten wird.

Und selbst wenn viele bereit sind, eine vorübergehende Veranstaltungspause in Kauf zu nehmen – spätestens zum Ende des Jahres sollte es dann doch schon irgendwie weitergehen. Unklar ist bisher, inwieweit das in Form einer Präsenzveranstaltung sein wird. Ein paar kleinere Umfragen zum Thema gab es bereits und die Ergebnisse lassen zumindest vermuten, dass es schwer werden könnte, Menschen zur Teilnahme an einer „echten“ Konferenz zu bewegen, solange zwar für Sicherheitsmaßnahmen gesorgt, aber kein Impfstoff verfügbar ist.

Das kann als indirekte Handlungsaufforderung an Veranstalter verstanden werden, ihre Planungen in eine digitale Richtung umzulenken. Die Augen vor einer virtuellen Übergangslösung zu verschließen, gilt eigentlich schon jetzt nicht mehr.

Dazu passt die Corona-Studie des GCB German Convention Bureau e.V., die die Einstellung von Veranstaltern zu virtuellen und hybriden Veranstaltungen untersuchte. Noch bis Anfang März 2020 gab es deutlich mehr Stimmen, die virtuellen Veranstaltungsformaten eine stagnierende Entwicklung attestierten oder diese sogar für überbewertet und nicht zukunftsfähig hielten. Nun fallen die Antworten auf einmal deutlich positiver aus – die Krise hat virtuellen Konferenzen einen Schub verpasst.

Dennoch: Wer noch nie eine virtuelle Konferenz ausgerichtet hat – und wir reden hier immer noch von der Mehrzahl der Veranstalter – darf skeptisch sein. Bedenken bereiten vor dem virtuellen Konferenz-Experiment vor allem die Finanzen.

Die Kostenverteilung verschiebt sich

Viel Geld auszugeben, ohne zu wissen, welche Resonanz das Ergebnis finden wird, möchte niemand. Bestenfalls soll oder muss am Ende ein Gewinn stehen. Fachgesellschaften etwa sind auf Umsätze aus Konferenzen angewiesen, um ihre weiteren Aktivitäten zu finanzieren. Andere Veranstalter, denen es nicht in erster Linie darum geht, mit ihrer Konferenz große Gewinne zu erwirtschaften, müssen mindestens kostendeckend arbeiten.

Angesichts dessen ist es gar nicht so abwegig, erst mal die neuen Ausgaben zu sehen, die eine virtuelle Konferenz mit sich bringt. Da müssen vor allem Video-Inhalte produziert oder Streams übertragen werden, sodass zusätzliche Kosten primär für Technik, Software und Hosting entstehen, die es in der Form vorher nicht gab.

Zur selben Zeit fallen andere Kostenverursacher weg, die im Zusammenhang mit dem Ort der Konferenz standen: Eine Location muss weder gesucht, gemietet noch hergerichtet oder dekoriert werden, Kosten für das Vor-Ort-Personal entstehen keine und Verpflegung wird nicht benötigt. Je nachdem, wie und wo die Streams und Videos produziert werden sollen, geht es manchmal nicht ganz ohne angemietete Räume. Dabei wird allerdings in wesentlich kleineren Dimensionen gedacht. Eine große Halle ist für eine virtuelle Konferenz nicht notwendig.

Printkosten können auch gestrichen werden, wenn alle Materialien für die Konferenz in digitaler Form bereitgestellt werden. Zudem kommt der virtuelle Raum ohne Exkursionen oder das Dinner als Bestandteile des Rahmenprogramms aus.

Eine direkte Gegenüberstellung hilft, nicht nur die Mehrausgaben zu betrachten. Das ist wichtig, weil sich die Kosten bei virtuell stattfindenden Konferenzen anders verteilen und insgesamt oft niedriger angesetzt werden können.

Wie viel zahlen Teilnehmende für eine virtuelle Konferenz?

Selbst die sparsamste Kalkulation lässt noch offen, wie es mit den Einnahmen aussieht. Der Unterschied zur traditionellen Konferenz ist in dem Punkt weniger drastisch als zunächst vielleicht gedacht. Beträge von Teilnehmenden und Sponsoren bleiben bei virtuellen Tagungen die beiden Haupteinnahmequellen.

In einer von uns durchgeführten Befragung unter mehr als 200 Personen hat sich gezeigt, dass mehr als die Hälfte der Befragten immer noch bereit wären, mindestens 50% der regulären Gebühr zu zahlen, wenn die Konferenz virtuell stattfindet. 22% fänden sogar mindestens 75% des Preises noch angemessen. Die Teilnehmenden der Befragung hatten allerdings vorher höchstens Erfahrungen mit einfachen Videokonferenz-Tools gesammelt. Bei einem entsprechend umfangreicheren Angebot und einer eigenen Plattform für die virtuelle Konferenz dürfte die Zahlungsbereitschaft vermutlich noch ein wenig höher liegen.

Generell ist es jedoch ratsam, die Preise etwas niedriger als vor Ort anzusetzen und unterschiedliche Pakete anzubieten, um damit mehr Personen anzusprechen. Denkbar wären Angebotspakete, die auf unterschiedliche Gruppen von Teilnehmenden abgestimmt sind, oder den Schwerpunkt auf das Programm legen. Darin liegt eine große Chance für virtuelle wissenschaftliche Konferenzen: Traditionelle Konferenzformate laufen schon seit einiger Zeit Gefahr, zu privilegierten Veranstaltungen zu werden und gerade junge Forschende auszuschließen. Müssen diese ihre Teilnahmegebühr plus Unterkunft plus Anreise aus eigener Tasche vorstrecken, ist das für viele nicht zu stemmen.

Buchbare Pakete kann es auch für Sponsoren geben, die ebenfalls für die Teilnahme bezahlen und im Gegenzug einen Ort erhalten, an dem sie sich und ihre Leistungen vorstellen und mit Teilnehmenden ins Gespräch kommen können. Theoretisch sind Sponsoren so rund um die Uhr verfügbar und damit wesentlich länger als bei nicht-virtuellen Konferenzen.

Fehlen Einlasskontrollen bei virtuellen Konferenzen?

Kein Check-In bedeutet offene Türen für alle und weniger Einnahmen – einer der Hauptkritikpunkte aus Veranstaltersicht. Vollkommen aus der Luft gegriffen ist der Einwand nicht, denn virtuelle Konferenzen machen es in der Tat einfacher, unbemerkt Personen einzuschmuggeln, die keine Teilnahmegebühr gezahlt haben. Eine angemeldete Person kann zum Beispiel die Links zu den Vorträgen an ihre Kolleg*innen weitergeben oder es versammeln sich rechtzeitig zum Stream mehrere Personen um einen Bildschirm.

Schlimm? Nicht wirklich. Wer wie wahrscheinlich die meisten Teilnehmenden Konferenzen besonders wegen ihrer Vernetzungsmöglichkeiten schätzt, wird darauf auch online nicht verzichten wollen. Bietet Ihre virtuelle Konferenz Platz zum Austausch und eben nicht nur Videos, wird die Veranstaltung attraktiver und Interessierte sind eher bereit, für das Konferenz-Feeling in Kombination mit Inhalten zu zahlen.

Eine Plattform-Lösung für virtuelle Konferenzen kann den Zugang zur virtuellen Konferenz beschränken, sodass die Weitergabe eines Links nicht funktioniert und der Zugriff auf die Inhalte immer einen Login erfordert. Wird die Plattform mit der Online-Registrierung verknüpft, kann gezielt gesteuert werden, wer analog zur Buchung seines Pakets welche Inhalte sieht.

Unabhängig davon verhält es sich aber meist so: Wer eine Konferenz mag, unterstützt diese gern. Virtuelle Konferenzen, die es schaffen, neben ihrem Programm auch den Charme ihrer Präsenzveranstaltung in die digitale Welt zu holen, müssen daher keine Angst haben, dass „Schwarzseher*innen“ den Fortbestand der Veranstaltung gefährden. Der Chaos Communication Congress und die re:publica beispielsweise filmen schon seit vielen Jahren Vorträge und Diskussionen mit und stellen die Videos online zum kostenlosen Abruf bereit. Die Tickets für die Vor-Ort-Veranstaltungen sind trotzdem immer erstaunlich schnell weg.

Nicht zuletzt ist da noch der beruhigende Gedanke an die schon angesprochene größere und diversere Zielgruppe, die eine virtuelle Konferenz viel besser erreicht. Das gilt übrigens auch für rein deutschsprachige Veranstaltungen, zu denen unter normalen Umständen auch einige nicht angereist wären, sei es wegen anderer Termine, Auslandsaufenthalten oder einem als zu lang empfundenen Reiseweg.

Wenn Teilnehmende die Konferenz beenden

Eine sorgfältige Planung ist erst die halbe Miete, über den Erfolg einer virtuellen Konferenz entscheidet am Ende aber deren Nutzen und Mehrwert, wie die Eventstrategin Kerstin Hoffmann-Wagner zu bedenken gibt, nachdem sie selbst einige Erfahrungen mit Online-Veranstaltungen gesammelt hat. Auch bei gebührenpflichtiger Teilnahme ist es vor dem Bildschirm mit wesentlich weniger Aufwand verbunden, das Fenster zur Konferenz einfach zu schließen. Vor Ort kostet es mehr Überwindung, mitten in der Session einfach zu gehen. Als Veranstalter haben Sie dann zwar das Geld erhalten, werden es dafür aber künftig schwer haben, die Personen zu einer erneuten Teilnahme im Folgejahr zu bewegen.

Der Grund für den vorzeitigen Abbruch müssen nicht unbedingt die Inhalte sein. Veranstalter virtueller Konferenzen gehen derzeit noch oft das Risiko ein, wenig technikaffine Teilnehmende zu überfordern. Diese stehen vor ziemlichen Hürden, wenn sie mehrmals zu verschiedenen Tools weitergeleitet werden, die sie vielleicht erst noch installieren müssen oder mit deren Funktionsweise sie nicht vertraut sind. Technisch versierte Teilnehmende könnten dagegen eher von der Umständlichkeit ständiger Tool-Wechsel als von deren Handhabung genervt sein. Wer einmal ein solches Erlebnis hatte, wird wohl lieber darauf warten, bis es vor Ort weitergeht.

Auch das spricht für eine Plattform-Lösung, die sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt und nur einen einzigen Login erfordert. Alleine der Aufwand, einen separaten Account für die Vorträge, noch einen anderen für die Poster-Session und wieder einen für die Diskussionen anzulegen, scheint ein bisschen viel verlangt für eine einzelne Konferenz.

Virtuelle Konferenzen nicht ganz abriegeln

Auf diese Weise spielt sich das Geschehen weitgehend hinter Türen ab, die sich nur zahlenden Personen öffnen. Sich komplett einzuigeln, beantwortet Interessierten jedoch nicht die Frage, in was sie da (vielleicht) investieren. Weil das aber eine ganz wesentliche Rolle dabei spielt, ob sich jemand anmeldet oder es bleiben lässt, sollte die Website zur virtuellen Konferenz einen ersten Einblick zu Programm und Ablauf vermitteln. Welche Materialien werden benötigt? Wie lange dauert die Konferenz? Müssen alle Programmpunkte an einem Tag absolviert werden oder stehen die Materialien länger zur Verfügung?

Agile Circle Online - Virtuelle Konferenz
Was die Teilnehmenden bei einer virtuellen Konferenz erwartet, verrät die Website zur Veranstaltung

Das Team der Agile Circle ONLINE-Konferenz, das wir unter anderem bei der Anmeldung der Teilnehmenden unterstützt haben, ist vor der Veranstaltung genau darauf eingegangen und hat gleichzeitig einen Überblick über die verschiedenen Formate der ersten virtuell ausgerichteten Konferenz gegeben. Ein solches Anteasern ist ein sehr guter Kompromiss und macht neugierig auf das Experiment, mit dem sich neben Veranstaltern ja auch viele Teilnehmende auf ein neues Terrain begeben, und das sich am Ende hoffentlich nicht nur aus finanzieller Sicht als Erfolg erweist.