Die wahre Kunst besteht darin, gleich doppelt mit einer Session zu überzeugen. Einmal beim Organisationsteam der Veranstaltung, das sich wünscht, dass alle Besucher auf ihre Kosten kommen, was durch ein ansprechendes Programm garantiert werden soll. Zum anderen wären da noch die Teilnehmer, die Zeit und Geld in eine Konferenz investieren und dafür im Gegenzug möglichst viel Neues mit nach Hause nehmen wollen. Halbherzige Session-Beschreibungen haben da keinen Platz.
Hürde Nr. 1: Die Anforderungen
Eine gute Idee ist kein Freibrief für eine Aufnahme ins Programm. Immer wieder müssen Programmkomitees Sessions mit spannendem Titel ablehnen, weil die Einreicher Vorgaben nicht beachtet haben, die normalerweise zusammen mit dem Call for Sessions veröffentlicht werden.
Sind wider Erwarten keine zu finden, gibt es sie entweder nicht (unwahrscheinlich) oder sie verstecken sich irgendwo auf der Website (wahrscheinlich). Bevor Sie sich nun aber durch jedes einzelne Untermenü lesen, fragen Sie lieber direkt kurz nach. Kleiner Pro-Tipp für Veranstalter: Eine übersichtlich strukturierte Konferenz-Website ist ein wirksames Mittel gegen fehlerhafte Einreichungen. Für eine noch bessere Absicherung bieten Sie bei der Session-Einreichung Optionen an, aus denen die Einreicher wählen und mit deren Hilfe sie überprüfen, ob der eigene Vorschlag den Richtlinien genügt. Wird die zulässige Zeichenanzahl für Titel und Beschreibung überschritten, erscheint zum Beispiel ein Hinweis.
Gehen Sie nicht davon aus, dass die Anforderungen dieselben sind wie bei der Konferenz vor zwei Jahren. Das Spektrum reicht teilweise von sehr ausführlich bis extrem knapp. Manchmal gibt es Hinweise, welche Einreichungen bevorzugt behandelt werden, etwa weil den Veranstaltern daran gelegen ist, besonders interaktive oder kreative Formate zu fördern. Andere wiederum möchten nur klassische Vorträge im Programm haben und lassen daher gar keine Wahl des Formats zu. Während also eine ungewöhnliche oder sogar polarisierende Session zum Türöffner bei der einen Tagung wird, landet derselbe Vorschlag bei einer anderen sofort auf dem Stapel der aussortierten Sessions.
Themen sind nur manchmal vorgegeben. Normalerweise gibt es ein großes – das der gesamten Konferenz – und einige Unterthemen. Jede Session muss sich dann irgendwo einordnen lassen. Ist das Komitee offen für Vorschläge, für die es noch keinen eigenen Bereich gibt, die aber sehr wohl zum Thema der Konferenz passen, gibt es dazu einen Hinweis. Anderenfalls sollten Sie Ihre Wahl noch einmal überdenken.
Von vornherein chancenlos sind natürlich die Session-Einreichungen, die zu spät eintreffen. Zögern Sie bei einer guten Idee also nicht zu lange.
Hürde Nr. 2: Der Titel
Wer kommt zur Konferenz? Welches Publikum müssen Sie mit Ihrer Session überzeugen? Deren Titel muss ja insbesondere die Teilnehmer beeindrucken und gar nicht so sehr das Komitee. Klar spielt das auch eine Rolle, allerdings eine eher indirekte. Letztlich fällt zwar das Komitee die Entscheidung darüber, welche Sessions das Publikum überhaupt zu Gesicht bekommt, allerdings läuft auch diese Wahl immer mit dem Gedanken an die Besucher ab. Welche Beiträge werden bei diesen wohl die größte Resonanz finden?
Schreiben Sie also vor allem für die Teilnehmer – und diese dürften Ihnen bekannt sein. Vielleicht nicht namentlich, aber vielleicht deshalb, weil diese sich beruflich im selben Bereich wie Sie bewegen und vermutlich einige Ihrer Interessen teilen. Allzu breit angelegte Themen sind also eher nicht gefragt. Kratzen die Inhalte nur an der Oberfläche, gibt es nicht viel Neues zu lernen. Allgemeines ist nur gut, wenn es um eine Einführung in ein Thema geht, für das sich viele interessieren, mit dem sich aber bisher kaum jemand auseinandergesetzt hat. Denken Sie etwa an eine neue Software, die eine bessere Zusammenarbeit verspricht, und die Sie bereits erfolgreich getestet haben. Oder an ein sehr junges Forschungsgebiet, mit dem Sie sich schon intensiv beschäftigt haben. Andererseits sollte Ihre Session auch nicht zu spezifisch sein. Verstehen das Anliegen nur ein paar wenige Experten, schmälert das die Chancen beim Programmkomitee.
Das Programm der Veranstaltung listet aus Platzgründen häufig nur Titel und Uhrzeiten auf. Wer sich ausführlicher informieren will, muss erst auf den Namen der Session klicken oder im Programmheft zur ausführlichen Beschreibung blättern. An der Stelle werden schon mal einige Sessions ausgesiebt. Die Entscheidung über den Besuch läuft also zuerst einmal nur über deren Titel. Da kann die Beschreibung noch so gut sein: Bei eintönigen, uninspirierten Titeln erreicht kaum jemand die ersten Sätze. Die Formel „je spektakulärer, desto besser“ funktioniert hingegen auch eher selten. Ein verheißungsvoller Titel lockt unter Umständen viele in Ihre Session, wird aber am Ende vermutlich nur enttäuschen. Damit bewegen Sie sich auf der Clickbait-Ebene, die Ihnen Aufmerksamkeit garantiert, gleichzeitig oft reißerisch wirkt und Erwartungen weckt, die die Session gar nicht erfüllen kann.
Für einen ansprechenden Titel reicht es oft schon, sich etwas detaillierter auf konkrete Ereignisse zu beziehen. „Fallstudie XYZ-Museum: Nachhaltiges Bauen in der Praxis“ fehlt es trotz Praxisbezug an Pep. Ein nachhaltig geplantes Gebäude mag ja ganz nett sein, ein Besuchermagnet wird die Session dazu vermutlich nicht. Es sei denn, Sie heben eine Besonderheit hervor. Warum war das nachhaltige Bauen in dem Fall wichtig? „Wie nachhaltiges Bauen einmalige Kunstwerke im XYZ-Museum schützt“ beantwortet die Fragen und macht neugierig auf die Lösungen.
Zugegeben, das funktioniert leider nicht bei allen Themen gleich gut und nicht immer findet sich sofort ein passender Aufhänger, der den Titel lebendiger macht. Mit einem kleinen Trick klappt das aber selbst bei etwas theorielastigeren Sessions: Wo sich „Crossmodales Lernen bei Robotern“ noch ein wenig trocken anhört, wirkt eine vorangestellte Zahl manchmal Wunder. „Die fünf wichtigsten Konzepte für crossmodales Lernen bei Robotern“ lassen schon viel eher aufhorchen.
Ansonsten spricht nichts dagegen, Titel als Frage zu formulieren, scheinbare Widersprüche anzudeuten oder die Lösung für ein Problem anzubieten, das einige der Besucher nur zu gut kennen dürften. Verzichten Sie dabei immer auf Abkürzungen und Begriffe, die kein allgemein gebräuchlicher Standard sind. Jemand, der noch nie davon gehört hat, wird eher der Session mit dem leicht verständlichen Titel den Vorzug geben. Und Vorsicht beim Experimentieren: Kreative Titel und Wortspiele können durchaus funktionieren, sollten jedoch spontan entstehen anstatt forciert zu werden. Überlegen Sie nie stundenlang, wie sich das Thema in eine möglichst fantasievolle Überschrift verpacken lässt – die Gefahr, dass das Ergebnis zu gezwungen wirkt, ist dann einfach zu hoch.
Hürde Nr. 3: Die Beschreibung
Sobald die Titel-Hürde genommen ist, steht die nächste Herausforderung an. Die Leser sind nun an einer weiteren kritischen Stelle angelangt, an der die Frage „Warum an dieser Session teilnehmen?“ im Vordergrund steht. Weil das bei Konferenzen üblich ist, greift als Antwort natürlich zu kurz.
Antworten Sie stattdessen, indem Sie alle Argumente auf den Tisch legen und gezielt für Ihre Session werben. Was können die Teilnehmer am Ende mitnehmen? Welche Fragen werden beantwortet?
Stellen Sie diesen Aspekt am besten gleich in den Vordergrund der Beschreibung. Zum einen sprechen Sie die Leser damit direkt an und zum anderen verdeutlichen Sie, warum die Session ihren berechtigten Platz im Konferenzprogramm hat. Füllprogramm für die restlichen Inhalte und Publikumsberieselung möchten Sie schließlich nicht liefern.
Woran fehlt es der Einleitung der folgenden Session-Beschreibung zum Thema Künstliche Intelligenz? „Cognitive Computing beschäftigt sich mit eigenständig arbeitenden und selbstlernenden IT-Systemen. Durch die Anwendung verschiedenster Verfahren maschinellen Lernens wird es möglich, dass diese große Datenmengen aus verschiedensten Quellen in kurzer Zeit verarbeiten. Die Session nähert sich theoretisch wie praktisch dem Thema Cognitive Computing und möchte Wege aufzeigen, wie solche Systeme zukunftsweisend eingesetzt werden können.“
In seiner jetzigen Form wirkt der Text vor allem langweilig. Die Sätze erinnern stark an Lehrbücher und genauso stellt man sich die Session dahinter vor: sachlich gehalten, seriös, unspannend. Und solch eine Session besucht man nur, wenn das Alternativprogramm noch weniger Abwechslung verspricht. Wenn Ihre Session mehr sein soll als das geringere Übel, helfen Sie der Beschreibung vorher lieber auf die Sprünge. Untergliedern Sie den Text dazu in zwei Abschnitte: Problem und Lösung. Im ersten Abschnitt werfen Sie eine Frage auf oder schildern eine Herausforderung, vor der einige der Leser stehen dürften. Entfernen Sie sich beim Schreiben vom Lehrbuch-Stil und Definitionen, die Interessierte ohnehin längst kennen. Einsteigen könnten Sie beim Beispiel von eben stattdessen mit: „Lassen sich große, komplett ungeordnete Datenmengen innerhalb weniger Stunden automatisch und nur mit Hilfe von Cognitive Computing in eine sinnvolle Ordnung bringen? Oder klappt das nur in Filmen und das Ganze hat mit der Realität (noch) nichts zu tun? Das möchten wir im Rahmen dieser Session gemeinsam herausfinden.“
Der letzte Satz leitet da schon zum zweiten Abschnitt über und beantwortet die Frage, warum die Session Teil der Konferenz sein sollte. Denn natürlich möchten alle erfahren, was sie von Ihnen lernen können. Machen Sie deutlich, welche Ziele Sie verfolgen. Denken Sie immer daran, dass schon beim Lesen der Beschreibung Erwartungen entstehen. Optimal sind solche, bei denen Text und spätere Erfahrung möglichst wenig voneinander abweichen. Während der Titel die Neugierde weckt, vertieft die Beschreibung das Thema und komplettiert, was die Überschrift begonnen hat. Titel und Beschreibung bilden zusammen eine Einheit, weshalb Sie zum Ende hin noch einmal an die Frage oder das Problem aus dem Titel anknüpfen können.
Fast geschafft
Am Ende der Beschreibung bleibt noch die Frage: An wen richtet sich die Session? Vielleicht verstehen die Inhalte nur absolute Spezialisten, vielleicht sind Interessierte aus anderen Fachbereichen ebenso willkommen, weil Sie ein großer Fan interdisziplinärer Zusammenarbeit sind – vergessen Sie nie, das mitzuteilen. Die Information ist extrem wichtig, damit alle möglichst viel mitnehmen. Anfänger verstehen sonst vieles nicht oder Fortgeschrittene langweilen sich, weil sie schon alles wissen. Manche Veranstaltungen nehmen Ihnen an der Stelle ein wenig Schreibarbeit ab, denn hin und wieder gibt es bei der Session-Einreichung eine Auswahl, bei der Ihnen mehrere Optionen vorgegeben werden und Sie das passende Niveau nur noch auswählen.
Ist es in Ordnung, wenn die Teilnehmer mit leeren Händen kommen oder muss etwas mitgebracht werden? Eine Hacking-Session funktioniert ohne eigenen Rechner schlecht. Weisen Sie also unbedingt noch darauf hin, dass ein Laptop erforderlich ist, welche Programme und welches Betriebssystem installiert sein müssen etc.
Manche Veranstalter wünschen sich für die Session-Beschreibungen noch Kurzvorstellungen der Speaker. Verkehrt ist es sicher nicht, zu wissen, mit wem man es zu tun hat. Anstatt aber sämtliche Ihrer bisherigen Stationen von der Grundschule bis zur aktuellen Position aufzulisten, sollten Sie sich eher auf Ihre Session beziehen: Warum können gerade Sie etwas zum Thema erzählen? Weil Sie sich seit Jahren damit beschäftigen? Weil Sie einen ganz neuen oder ganz anderen Ansatz gefunden haben? Weil Sie einen vielbeachteten Artikel dazu veröffentlicht haben? Oft reicht eine solche Erklärung vollkommen aus, um die Leser zu überzeugen.
Wie auch immer Sie Ihre Session beschreiben mögen: Ein bisschen Enthusiasmus schadet nie. Wenn Sie sich für ein Thema begeistern, stehen die Chancen nicht schlecht, dass die Begeisterung ansteckend ist und Ihre Session schon bald ausgebucht ist, nachdem sie es problemlos ins Programm der Veranstaltung geschafft hat.