Müssten Veranstalter bei der Planung der Eröffnungsrede nicht auf das Budget achten, würde sich die Mehrheit sicherlich für einen begehrten prominenten Keynote-Speaker entscheiden, denn Aufmerksamkeit wird einer Konferenz mit einem bekannten Namen ganz bestimmt zuteil. So geschehen auch beim Princeton-Fung Forum, das es im letzten Frühjahr sogar an die Spitze der deutschen Twitter-Trends schaffte – dank Vinton Cerf. Der „Vater des Internets“ passte tatsächlich perfekt zur Veranstaltung, die sich der Frage widmete, ob Freiheit im digitalen Zeitalter noch bestehen kann und die sich in Bezug darauf vor allem mit dem Thema Datenschutz beschäftigte. In seiner Rede sprach sich Cerf dann auch für kritisches Denken und gegen Fake News aus und wünschte sich, dass alle Schüler bis zum Abschluss mindestens einmal ein eigenes Programm geschrieben haben. Das traf den richtigen Nerv im Netz und wurde begeistert geteilt. Für die Keynote heißt das: Ziel erreicht, hat sie doch die Teilnehmer von der Idee der Veranstaltung überzeugt, Vorarbeit für alles im Programm Folgende geleistet und sogar noch dazu beigetragen, dass sich viele zum ersten Mal oder wieder mit dem Princeton-Fung Forum beschäftigt haben. Die Organisatoren scheinen also mit der Wahl des Speakers ein glückliches Händchen bewiesen zu haben – was auch Ihnen nicht allzu schwerfallen dürfte, wenn Sie die folgenden Überlegungen berücksichtigen.
1. Wie viel Zeit bleibt noch?
Je bekannter ein Speaker, desto voller ist dessen Terminkalender. Wer noch eine freie Stelle ergattern möchte, fragt also lieber etwas früher an. Allerdings sollten Sie auch weniger berühmten Referenten nicht erst zwei Wochen vor Beginn der Konferenz mit der Anfrage konfrontieren, schließlich muss der Vortrag erst einmal vorbereitet werden. Kalkulieren Sie ungefähr ein halbes Jahr Vorlauf ein. Auf eine Anfrage folgt schließlich kaum sofort eine Zusage. Bis zum Start müssen schon noch einige Gespräche über die Art der Veranstaltung und den Inhalt der Keynote geführt oder Honorare verhandelt werden. Mit klaren Vorstellungen gestalten sich solche Diskussionen leichter.
2. Wie viel Budget steht zur Verfügung?
Um bekannte Keynote-Speaker auf eine Konferenz zu locken, müssen Veranstalter in der Regel tiefer in die Tasche greifen. Fünfstellige Summen sind bei sehr namhaften Personen nicht ungewöhnlich. Ist das zu viel oder noch im Rahmen? Braucht es überhaupt ein Honorar? Müssten Speaker nicht eigentlich dankbar für die Chance sein, wenn Veranstalter großer Konferenzen sie für die Keynote in Betracht ziehen? Das Argument bekommen hin und wieder sogar langjährige Speaker zu hören, die sicher niemandem mehr etwas beweisen müssen. Die Referentin Tarran Deane macht deshalb deutlich, dass solche Auftritte für professionelle Speaker kein Hobby sind, sondern viele ihren Lebensunterhalt damit bestreiten und Expertenwissen besitzen. Betrachten Sie Speaker genau wie alle anderen Dienstleister. Schließlich würde auch niemand auf die Idee kommen, einer Catering-Firma vorzuschlagen, umsonst Menüs zu kredenzen, weil die Veranstaltung später als Referenz auf deren Website gut aussieht. Setzen Sie das Honorar aber auch immer in Relation zu anderen anfallenden Kosten und zur Teilnehmerzahl der Konferenz. Mit größeren Veranstaltungen erzielen Sie höhere Einnahmen, weshalb ein etwas kostenintensiverer Speaker dann vielleicht eher im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten liegt – sofern dadurch nicht an anderer Stelle erhebliche Abstriche nötig werden. Die Freude über den hochkarätigen Referenten wird nicht über das zu knapp bemessene Catering oder die veraltete Technik hinweghelfen. Lassen Sie sich nie alleine von der Kostenfrage leiten. Speaker nur aus Prestigegründen und wegen deren prominenter Namen zu buchen bringt selten einen wirklichen Gewinn. Unterschätzen Sie die Kosten nicht. Sie zahlen zusätzlich für Flüge, Hotel, Transport und das eventuell doppelt, wenn noch ein persönlicher Assistent dabei ist.
3. Wonach suchen?
Die Anzahl möglicher Keynote-Speaker ist riesig, dennoch ist davon niemand für alle Veranstaltungen geeignet – auch wenn es einige geben mag, die das gerne von sich behaupten. Fangen Sie bei Ihrer Planung nie damit an, Google nach einer Auflistung von Referenten zu durchforsten, die gegen ein möglichst nicht zu hohes Honorar bei Konferenzen auftreten. Denken Sie stattdessen erst einmal an alles, was Sie sich von der Keynote wünschen – alle anderen Faktoren kommen erst später wieder ins Spiel. Soll die Keynote wie eine Einleitung sein, die den Ton für die kommenden Stunden oder Tage vorgibt, oder lieber das Fazit bilden, das die letzten Tage zusammenfasst, ehe sie die Besucher wieder nach Hause entlässt? In jedem Fall ist sie etwas Besonderes – besonders motivierend, besonders inspirierend oder besonders unterhaltsam. In welche Richtung soll es bei Ihrer Konferenz gehen? Was erwartet das Publikum und wie kann ein Speaker die Erwartungen erfüllen? Erst wenn Sie sich darüber im Klaren sind, kann die Suche nach Personen beginnen, die in der Lage sind, genau das zu vermitteln.
Entscheidend ist zudem das Thema. Soll eher eine fachspezifische Frage im Vordergrund stehen oder soll es um etwas Allgemeineres gehen? Viele Speaker spezialisieren sich auf eine Reihe von Themen. Fachfremde Referenten wissen meist nur wenig über aktuelle Entwicklungen Ihrer Branche oder Ihrem Fachgebiet. Das ist bei einer etwas allgemeiner gehaltenen Keynote gar kein Problem. Dabei kommt es vielmehr darauf an, dass jemand alle für sich einnehmen kann. Bei einem fachlichen Thema kommt derjenige dann dafür eher nicht in Frage.
4. Wer kann was?
Um das herauszufinden, hilft ein kleiner Umweg. Als zweitgrößte Suchmaschine bildet YouTube den perfekten Startpunkt, denn neben Namen gibt es gleich noch Bewegtbild-Referenzen dazu und die sollten überzeugender sein als sämtliche Listen mit Argumenten auf Speaker-Websites, die sich häufig stark ähneln. Befasst sich Ihre Konferenz mit dem Thema Künstliche Intelligenz, starten Sie zum Beispiel mit einer Suche nach „Keynote Conference AI“. Anhand der bei anderen Veranstaltungen aufgenommenen Videos lassen sich einige wichtige Fragen beantworten: Wie bezieht der Speaker jeweils sein Publikum ein? Wird überhaupt mit den Zuhörern interagiert oder ein Standardprogramm abgespult? Werden den Zuhörern nicht nur rhetorische Fragen gestellt? Lässt der Referent vielleicht sogar kurz über etwas abstimmen? Spricht er die Sprache des Publikums und nutzt Begriffe, die die Zuhörer so auch verwenden? Wenn Sie sich einige solcher Videos ansehen, hilft Ihnen das einerseits noch mal beim Beschreiben, wie die ideale Keynote sein soll, andererseits füllt sich Ihre Speaker-Wunschliste bei der Gelegenheit gleich mit ein paar Namen. Erweitern Sie das Spektrum, indem die Suche nach passenden Konferenzen aus Ihrem Fachbereich mit Begriffen wie „Interview“ kombinieren und auf diese Art weitere Videos mit Experten-Beteiligung ausfindig machen.
Die besten Speaker schaffen es übrigens, das Gleichgewicht zu finden, was den Ton der Keynote angeht. Zwischen allen Informationen klingt ab und an ein wenig Humor durch, niemals übertrieben, niemals aufgesetzt. Die besten Referenten werden darüber hinaus persönlich und verpacken ihre Botschaft in Geschichten zu eigenen Erfahrungen oder Begegnungen, die beim Publikum im Gedächtnis bleiben – Keynote-Aufgabe erfüllt.
Eine andere Methode mag ein wenig unkonventionell wirken, kann aber durchaus eine erfolgreiche Keynote vorbereiten. Warum nicht nach jemandem suchen, der fachlich vielleicht (noch) nicht zur Riege der Top-Experten gehört und nicht auf jeder größeren Veranstaltung mit einem Vortrag vertreten ist, dessen Arbeit aber zumindest schon für Aufsehen gesorgt hat? Vielleicht hat die Person einen Artikel verfasst, der in den letzten Wochen oft gelesen und geteilt wurde oder schreibt generell sehr viel Lesenswertes zum Thema. Dem Konferenzpublikum ist sie dann wahrscheinlich nicht mehr gänzlich unbekannt. Auf das Aufspüren solcher Artikel haben sich einige Tools spezialisiert. Eines der wenigen mit einer kostenlosen Option ist ContentStudio. Für Recherchezwecke ist dort keine Premium-Variante erforderlich. Überlegen Sie vorher genau, was Sie ins Suchfeld eingeben, denn die Anzahl der Anfragen ist für die nicht zahlenden Nutzer limitiert. Für den Anfang reicht das Thema der Konferenz. ContentStudio listet daraufhin die in sozialen Netzwerken meistbeachteten Artikel auf. Nehmen Sie sich ein wenig Zeit fürs Querlesen und suchen Sie anschließend nach den Autoren, die besonders interessante Texte geschrieben haben. Dasselbe funktioniert anstelle eines solchen Tools natürlich auch mit jedem gut sortierten Newsfeed, den Sie sich vielleicht auf anderem Wege zusammengestellt haben und regelmäßig nutzen, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben.
Wenn Sie bei Ihrer Suche hauptsächlich auf männliche Speaker stoßen, muss das nicht bedeuten, dass es keine Frau gibt, die über das Thema referieren könnte. Nur sind weibliche Speaker leider noch oft nicht so prominent platziert wie ihre männlichen Kollegen. Deshalb lohnt sich auch immer ein Besuch bei speakerinnen.org, wo es eine kuratierte Liste weiblicher Keynote-Speaker gibt. Durchsuchen Sie die Liste doch mal nach dem Thema Ihrer Konferenz. Vielleicht ist die ein oder andere Expertin dabei, auf die Sie sonst gar nicht gekommen wären.
5. Was müssen potenzielle Speaker wissen?
Nachdem die Vorauswahl getroffen ist, kann die Kontaktaufnahme beginnen. Behalten Sie immer im Hinterkopf: Soll eine Keynote erfolgreich werden, ist eine enge Zusammenarbeit wichtig. Erklären Sie im Detail, worauf es Ihnen ankommt und was Sie sich von der Keynote wünschen. Gibt es von Ihrer Seite keine Vorgaben, könnten einige Speaker später die Bühne für Eigenwerbung nutzen. Ob die Gefahr besteht, zeigt sich im Gespräch mit den Wunschkandidaten oft ziemlich schnell. Hat jemand ernsthaftes Interesse am Publikum und am Thema der Konferenz, können Sie damit rechnen, dass ein auf die Besucher abgestimmter Vortrag folgen wird. Das ist auch dann der Fall, wenn Speaker aktiv beim Bewerben der Veranstaltung helfen, etwa mit einem Facebook-Post oder ein paar Tweets. Die richtige Entscheidung getroffen haben Sie in jedem Fall, wenn sich jemand nach den Personen, die später vor ihm sitzen, erkundigt und mehr über deren Herausforderungen erfahren möchte.
Vielleicht wird aus Ihrem Plan aber auch erst mal nichts, weil Ihr Wunsch-Speaker keine Zeit hat. Vielleicht kann dieser aber jemanden aus seinem Bekanntenkreis für die Aufgabe empfehlen. War Ihre Suche nicht erfolgreich, fällt Ihr Referent kurzfristig aus oder Sie wünschen sich unbedingt einen prominenteren Gast für die Keynote, versuchen Sie es am besten über eine Referenten-Agentur. Agenturen verfügen in der Regel über ein großes Netzwerk und können anhand Ihrer Vorgaben auch noch schnell jemanden finden. Allerdings ist die Zusammenarbeit natürlich nicht umsonst.
Zu guter Letzt schadet es nie, wenn auch Sie dem Keynote-Speaker Ihrer Wahl ein wenig Vertrauen entgegenbringen. Verlangen Sie nicht, die Folien vorab zu sehen. Manche Referenten arbeiten noch auf dem Weg zur Konferenz daran. Geben Sie ihnen die Möglichkeit, das in Ruhe zu tun. Haben Sie alle anderen Punkte beachtet, sollten an dem Punkt ohnehin schon alle Zweifel aus dem Weg geräumt und der perfekte Speaker gefunden sein.