Ist ein Smartphone-Verbot bei Konferenzen sinnvoll?

Das Smartphone als Störfaktor

Ein striktes Smartphone-Verbot bei Konferenz-Sessions ist eher das letzte Mittel, zu dem Organisatoren greifen, wenn sich Referenten über ein Publikum beschweren, das den Blick eher auf die eigenen Displays statt nach vorne richtet. Eine solch drastische Methode, die aber laut der IMEX-Studie immerhin 40% der Befragten befürworten, wirkt im Jahr 2016 ein wenig deplatziert. Konferenzbesucher sind mittlerweile stärker mit ihren mobilen Geräten verbunden als je zuvor. Dass in Zukunft selbst die letzten Verweigerer zu Smartphone-Besitzern werden, ist demnach mehr als wahrscheinlich. Dass es sich dabei nur um einen vorübergehenden Trend handelt, dagegen nicht. Veranstalter, die ein Verbot formulieren wollen, dürften sich bereits jetzt mit einer ganz wesentlichen Frage konfrontiert sehen: Wo wird die Grenze gezogen? Soll das Verbot nur für Smartphones und Tablets gelten oder schon auf Smartwatches ausgeweitet werden?

Was bei Vorträgen für viele noch erträglich ist, wird spätestens in kleinerer Runde zum echten Problem. Bei Workshops zum Beispiel. Dort fällt es schneller unangenehm auf, wenn einige der Anwesenden den Blick kaum vom Display lösen können. Leider passiert das immer wieder. Die meisten Workshop-Leiter dürften sich dann aber zumindest ein wenig spießig vorkommen, Teilnehmer einzeln darauf hinzuweisen. Niemand möchte unbedingt eine Atmosphäre aufkommen lassen, die an Frontalunterricht in der Schule erinnert und bei der jeder das Gefühl hat, ständig kritisch beäugt zu werden. Schließlich haben sich alle freiwillig zum Workshop angemeldet und dafür bezahlt, also darf ein grundsätzliches Interesse am Thema eigentlich vorausgesetzt werden.

Mythos Multitasking

Damit die Aufmerksamkeit der Teilnehmer nicht auf der Strecke bleibt, wäre ein Verbot sogar gewissermaßen sinnvoll – gerade vor dem Hintergrund, dass Multitasking bei anspruchsvollen Aufgaben gar nicht existiert. Laut Psychologie-Professor David Strayer sind nämlich nur etwa zwei Prozent aller Menschen so genannte Supertasker und damit tatsächlich in der Lage, mehrere Aufgaben zur selben Zeit auszuführen, ohne dass sich das negativ auf die Leistungsfähigkeit auswirkt. Für die restlichen 98% dürfte es schwer werden, den Ausführungen des Referenten über dessen aktuelle Forschungsarbeit zu folgen und zur selben Zeit E-Mails zu lesen oder diese zu beantworten. Anstatt mehrere Dinge simultan zu erledigen, wird in Wirklichkeit nur schnell zwischen mehreren Aufgaben hin- und hergewechselt – ohne sich auf eine davon voll zu konzentrieren. Folglich kommen entweder Informationen aus dem Vortrag nicht an oder Teile der Mail müssen mehrmals gelesen werden, um deren Inhalt ganz zu erfassen.

Stichwort Mails: Manchmal trifft die Teilnehmer selbst gar keine Schuld am wiederholten Check, ob neue Mails im Posteingang liegen. Einige würden vielleicht gerne dem Referenten ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenken, haben aber die Anweisung, auf bestimmte Nachrichten sofort zu reagieren. Wäre dagegen im Vorfeld der Veranstaltung klar, dass Smartphones während der Session nicht erwünscht sind, könnten sich alle Beteiligten darauf einstellen.
Wird ein Verbot mobiler Geräte ausgesprochen, stößt das nicht immer zwingend auf Ablehnung, sondern findet mancherorts überraschenderweise sogar Zuspruch. Europas TED-Direktor Bruno Giussani weiß von seinem Experiment nur Positives zu berichten. Frühere Versuche, bei denen den Teilnehmern vorgeschlagen wurde, Smartphones während der Session doch in der Tasche zu lassen oder das Nutzen der elektronischen Begleiter nur in den letzten beiden Sitzreihen erlaubt war, zeigten keinen Erfolg. Das absolute Verbot hingegen wurde anstandslos befolgt und sogar begeistert aufgenommen. Den Zuhörern fiel vor allem die veränderte Atmosphäre positiv auf, die währenddessen im Raum herrschte. Alle Anwesenden konnten sich in Ruhe auf die Präsentationen konzentrieren anstatt sich wie bisher im ständigen Wettstreit mit allen anderen zu befinden, wenn es darum geht, zuerst die besten Zitate an die eigenen Follower weiterzugeben. So verwundert es nicht weiter, dass auf die Frage, ob das Verbot auch bei der nächsten Konferenz wieder in Kraft treten soll, alle Hände in die Höhe gingen.

Fokussiert auch ohne Verbot

Ab sofort also am besten gar keine Konferenz mehr ohne Smartphone-Verbot?
Ganz so einfach dürfte das nicht werden. Was sich bei einigen Veranstaltungen als voller Erfolg herausgestellt hat, könnte sich bei anderen schnell in die entgegengesetzte Richtung entwickeln. Vielleicht fühlen sich manche Teilnehmer durch ein Verbot zu stark eingeschränkt, was sich dann auf die Wahrnehmung der gesamten Konferenz auswirkt.

Ein möglicher Lösungsansatz könnte sich durch einen Mittelweg ergeben, bei dem die Geräte nicht generell verboten, sondern in die Veranstaltung eingebunden werden. So lässt sich beeinflussen, wie die Teilnehmer ihre Smartphones und Tablets nutzen und damit auch verhindern, dass diese ihre Besitzer allzu sehr ablenken.
Besonders gut umgesetzt werden kann das bei Workshops. Hier empfiehlt es sich, Aufgaben mit Hilfe mobiler Geräte zu bearbeiten. Diese können etwa zu Recherchezwecken eingesetzt werden oder es wird kollaborativ an einer Dokumentation der Ergebnisse gearbeitet, bei der alle ihre Anmerkungen in Echtzeit ergänzen. Bei Vorträgen in großen Räumen lassen sich Grafiken oder Statistiken oft nur sehr schlecht für alle sichtbar darstellen. Einfacher wäre es, wenn sich jeder die Informationen auf das eigene Gerät holen könnte. Gehen Sie aber nie davon aus, dass davon alle ausnahmslos begeistert sein werden. Vor allem dann, wenn sich die Besucher nicht ausschließlich aus Digital Natives zusammensetzen und einige darunter sind, die während der Veranstaltung freiwillig auf ihre Geräte verzichten möchten oder gar keine besitzen. Niemand sollte sich deshalb benachteiligt oder schlechter informiert fühlen. In der Regel wissen Sie als Veranstalter am besten über die Zusammensetzung der Teilnehmer Bescheid. Bestenfalls kennen Sie auch deren Smartphone-Nutzungsverhalten und können anhand dessen Festlegungen treffen, ob und wie die Geräte während der Sessions genutzt werden sollen.

Bedenken Sie dabei auch Ihre eigenen Wünsche. Möchten Sie zum Beispiel die Veranstaltung zeitnah evaluieren und benötigen deshalb Rückmeldungen der Teilnehmer zu einzelnen Präsentationen, spricht das gegen ein striktes Verbot. Mit Hilfe der Feedback-Funktion einer Event-App hat das Publikum die Möglichkeit, einen Vortrag sofort zu bewerten anstatt erst zwei Tage später, wenn die Erinnerung daran längst nicht mehr so frisch ist.

Gut gemeint?

Verbote seitens des Veranstalters treiben mitunter sehr seltsame Blüten. Ein bisschen übertrieben wirkt es schon, wenn die ersten Start-ups ihr gesamtes Geschäftsmodell auf die möglichst perfekte Umsetzung des Verbots – zunächst noch hauptsächlich bei Konzerten – ausrichten. Eine spezielle beim Eintreffen vor Ort ausgehändigte Hülle sorgt dann etwa dafür, dass die Geräte während der Veranstaltung „eingesperrt“ bleiben. Solange sich die Besitzer in der Smartphone-freien Zone aufhalten, lässt sie sich nicht öffnen. Wird das Telefon doch mal benötigt, muss der Besitzer den Bereich verlassen, um die Sperre aufzuheben. Innovativ mag das sein, bevormundend ist es aber eben auch und zeigt am Ende vor allem, dass der Veranstalter den Teilnehmern kein besonders großes Vertrauen entgegenbringt – nicht gerade ein Ort, an dem man sich als Besucher wohlfühlt.

Überhaupt müssen Live-Updates der Teilnehmer während der Veranstaltung ja nicht automatisch schlecht sein. Immerhin bietet es allen, die gerade an irgendeinem anderen Ort der Welt an ihrem Schreibtisch sitzen, die Möglichkeit, eine Veranstaltung zu verfolgen, an der sie gerne selbst teilgenommen hätten. Bleibt noch die Frage, ob nun deren eigentliche Arbeit unter dem Multitasking beim Mitverfolgen leidet – zumindest das fällt dann aber definitiv nicht mehr in Ihren Aufgabenbereich.