1. Bei kürzeren Videos ist der Lerneffekt höher
Online ist das so eine Sache mit der Aufmerksamkeit. An jeder Ecke lauern Ablenkungen und es wird viel schwieriger, sich auf einen Vortrag zu konzentrieren, auch weil manche Teilnehmende ihre Multitasking-Skills überschätzen. Entsprechend wenig bleibt vom Inhalt hängen. Wer nach zwei oder drei 30-minütigen Videos keine Energie mehr hat, noch eins zu starten, ist damit aber sicher nicht alleine. Zeiten, die bei einer Konferenz vor Ort kein großes Problem darstellen, fühlen sich im Virtuellen auf einmal wie ein echter Marathon an. Kürzere, auf den Punkt gebrachte Präsentationen lösen das Problem. Um sicherzugehen, dass kein Vortrag die von Ihnen festgelegte Minutengrenze überschreitet, arbeiten Sie mit voraufgezeichneten Videos statt nur mit Live-Inhalten.
Vorsicht mit dem Kürzen bei virtuellen medizinischen Kongressen: Ist Ihre Veranstaltung als Fortbildung zertifiziert, reichen zehn Minuten für einen Vortrag nicht aus, denn ein CME-Punkt entspricht einer Fortbildungszeit von 45 Minuten.
2. Bereiten Sie Vortragende auf ihre Aufgabe vor
Den größten Anteil an der Gestaltung der einzelnen (verkürzten) Programmpunkte haben die Präsentierenden, doch nur die wenigsten von ihnen sind schon mit virtuellen Kongressen vertraut. Manchmal mischt sich sogar ein wenig Skepsis darunter, denn schließlich macht es schon einen gewaltigen Unterschied, ob jemand zu einem Publikum redet oder vermeintlich ins Leere. Ihrer Zeit voraus auf diesem Gebiet war die Society for Cultural Anthropolgy mit Displace18, ihrem 2018er Kongress, der schon zu einer Zeit als virtuelle Veranstaltung durchgeführt wurde, als sich kaum jemand ernsthaft mit dem Format beschäftigt hat. Nun kann man den Verantwortlichen von damals für ihre sehr anschaulichen Materialien danken: Was sollten Speaker*innen beachten, wenn Sie selbst ihre Vorträge aufzeichnen? oder Wie erstellt man eine Voice-Over-Präsentation? Verteilen sich die Vortragenden über verschiedene Länder, ist es nicht besonders sinnvoll, diese nur für eine Aufzeichnung anreisen zu lassen (sofern das durch Reisebeschränkungen überhaupt möglich ist). Andererseits fällt mit einem professionell ausgestatteten Studio der ganze Technik-Aspekt der Videoproduktion weg. Bei kürzeren Anreisewegen ist ein solcher Service daher sehr zu empfehlen, der inzwischen von einigen Kongresszentren angeboten wird.
Das Aufnehmen eines Videos wird umso einfacher, wenn die Speaker mit Unterpunkten arbeiten und das Video in mehrere Kapitel aufteilen – oder für jedes Kapitel ein eigenes kurzes Video produzieren. Statt einem 15-minütigen Vortrag gibt es so vielleicht drei Videos mit einer Länge von jeweils fünf Minuten.
Weitere praktische Tipps für Speaker*innen bei virtuellen Konferenzen (Stichworte: Kamerahöhe, Licht, Reflexionen, Bildausschnitt, Kleidung) gibt es im Blog von Katrin Taepke.
3. Planen Sie Pausen ein
Wenn der Stream nach dem Start einfach durchläuft, bleibt der Lerneffekt auf der Strecke (siehe Tipp Nr. 1). Teilnehmende sollten nach jeder Session immer ein wenig Zeit zum Ausruhen und Verarbeiten der Infos bekommen. Zu Hause gibt es eher kein Buffet, an dem man sich jederzeit bedienen kann, sodass die meisten sich ihren Kaffee und ihr Mittagessen selbst kochen und Pausen manchmal auch dazu nutzen, um ein paar Mails zu beantworten oder Anrufe zu erledigen.
Gerade zur Mittagszeit darf die Pause noch mal ein wenig länger sein. So muss niemand mit knurrendem Magen vor dem Bildschirm sitzen, um nichts zu verpassen.
Leider planen manche Veranstalter virtuelle Kongresse ganz ohne Pausen, weil sie befürchten, dass die Teilnehmenden danach nicht wiederkommen. Die Gefahr ist nicht unbegründet, die Ursache dann aber eher bei den Inhalten zu suchen. Ganz wichtig ist aber immer, die Teilnehmenden schon vorher darüber zu informieren, wann es für wie lange Pausen gibt, oder die Videos dauerhaft zur Verfügung zu stellen, damit sich alle die Zeit frei einteilen können.
4. Teilnehmende sollten mehr tun als zusehen
Gut produzierte Inhalte bilden den Auftakt zu einem gelungenen virtuellen Kongress. Wenn Teilnehmende sich selbst zu den Sessions äußern können, anstatt nur in der Zuschauerrolle zu verharren, hebt sich die Veranstaltung umso positiver von anderen ab. Leider gelingt das bisher vielen nicht so gut. In einer kürzlich erschienenen Umfrage haben Veranstalter angegeben, dass es beim Einbeziehen der Teilnehmenden mit Abstand am meisten hakt.
Es gibt sicher kaum Präsentationen, zu denen sich niemand äußern möchte. Viele Speaker*innen wünschen sich Fragen und weiterführende Diskussionen oder finden es hilfreich, einen Überblick über die Ansichten der Teilnehmenden zu bekommen. Veranstalter virtueller Kongresse sollten daher immer Interaktionsmöglichkeiten bereitstellen. Das klappt am besten direkt dort, wo sich die Inhalte befinden. Verlassen Sie sich nicht (nur) auf soziale Netzwerke – auch dort können sich Teilnehmende des Kongresses zwar begegnen, allerdings nur diejenigen mit einem eigenen Account. Wer sich etwa aus Datenschutzgründen keinen anlegen möchte, kann nicht mitmachen.
5. Helfen Sie beim Networking
Leider beschränken sich die Kontakte bei virtuellen Kongressen gerade oft noch auf die Personen, die sowieso schon zum eigenen Bekanntenkreis gehören. Gänzlich Unbekannte werden deutlich seltener kontaktiert, obwohl sich viele Teilnehmende von einem Kongress gerade neue Kontakte versprechen. Helfen können Veranstalter mit Kontaktvorschlägen, die auf gemeinsamen Interessen basieren.
Auch virtuelle Diskussionen in kleinen Gruppen fördern gegenseitiges Kennenlernen über das gemeinsame Bearbeiten eines Themas. Ein virtueller Kongress sollte neben Vorträgen deshalb immer auch Formate beinhalten, bei denen der Austausch im Vordergrund steht. Das funktioniert gleich zu Beginn auch sehr schön als Icebreaker.
6. Gespräche können geplant werden
Ein großer Vorteil virtueller Kongresse ist es, dass Teilnehmende die Veranstaltung in ihrem eigenen Tempo erleben können. Sollte das nicht auch für Live-Gespräche gelten? Für Wissenschaftler*innen ist es zum Beispiel ziemlich frustrierend, wenn von diesen verlangt wird, sich für ein oder zwei Stunden für Poster-Diskussionen zur Verfügung zu halten, das Interesse am Ende aber überschaubar bleibt.
so rewarding to put in hours into making a poster and partake in two practice virtual poster sessions, just to sit in a breakout room all by myself for >1 hour besides the 5 min where I finally got one (1) visitor pic.twitter.com/Rn03HR8bJV
— slurm daemon slayer // B L M (@michkellelley) May 28, 2020
Die vertane Zeit hätte viel besser genutzt werden können, um sich selbst ein wenig auf dem virtuellen Kongress umzusehen. Möchte jemand mit den Autor*innen über ihr Poster sprechen, wird stattdessen ein gemeinsamer Termin vereinbart.
7. Setzen Sie Moderator*innen ein
Manchmal scheuen sich Teilnehmende davor, sich mit einem eigenen Beitrag zu Wort zu melden, wenn das vor ihnen noch niemand getan hat. Und gerade manche kritischen Äußerungen könnten im virtuellen Raum falsch ankommen – sind aber vor allem bei wissenschaftlichen Kongressen ganz normal und eher konstruktiv zu verstehen.
Moderator*innen sind deshalb sehr hilfreich, weil sie Gesprächsverläufe überwachen und eingreifen können, um genau solchen Missverständnissen entgegenzuwirken. Sie schreiten bei Bedarf ein und liefern Impulse, die eine Diskussion in Gang bringen, glätten die Wogen bei Auseinandersetzungen oder filtern unangebrachte Kommentare heraus.
8. Der virtuelle Kongress öffnet sich erst nach abgeschlossener Registrierung
Auch wenn Sie keine Gebühren für einen virtuellen Kongress verlangen, sollten sich Teilnehmende vorher anmelden müssen, um die Funktionen in vollem Umfang zu nutzen. Während es okay ist, Streams und Videos auch ohne Registrierung zugänglich zu machen, könnte das bei Interaktionen schnell mal aus dem Ruder laufen – zum Beispiel, wenn der Kommentarbereich von Trollen gekapert und mit störenden, sinnfreien Kommentaren geflutet wird. Das erschwert Moderator*innen die Arbeit. Wer ganz sicher gehen will, verknüpft die Plattform für den virtuellen Kongress mit einer professionellen Teilnehmeranmeldung. Veranstalter behalten so die maximale Kontrolle darüber, welche Personen auf welche Inhalte zugreifen können.
Haben Sie noch weitere Tipps, die Veranstaltern helfen, und die wir noch mit aufnehmen sollten? Wir sind dankbar für weitere Anregungen – gern auch aus der Sicht der Teilnehmenden.